Seit einigen Jahren wird insbesondere im Zusammenhang mit dem Widerruf eines Kreditvertrages oder Versicherungsvertrages zwischen den Parteien eines Rechtsschutzversicherungsvertrages zum Teil heftig darüber gestritten, wann der Rechtsschutzfall eingetreten ist. Der BGH (hat in seiner sog. „Gammagard“-Entscheidung vom 25.02.2015, Az.: IV ZR 214/14; erstmals entschieden, dass es für die Beurteilung des Rechtsschutzfalles allein auf das Fehlverhalten des Gegners ankomme. Für die Festlegung der dem Vertragspartner des VN vorgeworfenen Pflichtverletzung ist zudem der Tatsachenvortrag entscheidend, mit dem der VN den Verstoß begründet. Als frühestmöglicher Zeitpunkt kommt dabei das dem Anspruchsgegner vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten in Betracht, aus dem der VN seinen Anspruch herleitet. Dieser für die Aktivprozesse geltende Rechtsamt führte dazu, dass der Rechtsschutzfall nicht in dem Abschluss eines Kreditvertrages, sondern vielmehr, bei entsprechenden Vortrag des VN in der Zurückweisung des Widerrufs durch die Bank oder den Versicherer zu sehen ist. Von Versichererseite wird seitdem wiederholt eingewandt, dass diese Rechtsprechung zu Zweckabschlüssen führe und die Versicherer dagegen machtlos wären. Ein VN könnte bei Erkennbarkeit eines Rechtsschutzfalles durch den schnellen Abschluss einer Rechtsschutzversicherung dafür sorgen, dass er Kostendeckung für den zu erwarteten Prozess bekomme.

Mit Spannung wurde von den Rechtsschutzversicherern wie auch den rechtsschutzversicherten VN die Entscheidung des BGH zur Kostendeckung bei den sog. Passivprozessen erwartet. Der BGH hat nunmehr mit mehreren Urteilen vom 03.07.2019 (vgl. Az.: IV ZR 111/18, Az.: IV ZR 195/18) seine Rechtsprechung auf den Passivprozess erweitert.  In den Fällen, in welchen sich der VN in der Beklagtenrolle befindet, ist demnach allein zu fragen, welchen Vorwurf der VN dem Gegner zu Last legt. Entscheidend ist somit allein der Tatsachenvortrag, mit dem der VN seinen Abwehranspruch begründet. Darauf, welche Einwendungen der Gegner dem entgegenhält, kommt es für die Bestimmung des Versicherungsfalles nicht an. Anderenfalls hätte es der am Rechtsschutzversicherungsvertrag nicht beteiligte Dritte als Außenstehender in der Hand, durch die Wahl seiner Verteidigung dem Versicherungsnehmer den Rechtsschutz zu entziehen. Die Festlegung eines verstoßabhängigen Rechtsschutzfalls richtet sich somit auch im Passivprozess allein nach den vom VN behaupteten Pflichtverletzungen. Es ist insbesondere kein sachlicher Grund ersichtlich, warum diese, aus Sicht des durchschnittlich verständlichen VN nahe liegende, Fragestellung nicht auch dann zur Anwendung gelangen sollte, wenn der VN Ansprüchen des Gegners ausgesetzt ist. Richtigerweise ist daher auch bei Passivprozessen auf die Sicht des VN abzustellen – auch in diesem Fall wird der VN als Verstoß nicht sein eigenes Verhalten, sondern das Fehlverhalten des Gegners ansehen. Daher ist auch im Rahmen einer Deckungsanfrage beim Rechtsschutzversicherer stets zu fragen und zu prüfen, welchen Vorwurf der VN dem Gegner zu Last legt.