Mit Urteil vom 05.07.2017 (IV ZR 121/15) hat sich der Bundesgerichtshof zur Reichweite des § 213 VVG im Rahmen der Leistungsprüfung geäußert. In der Personenversicherung (Lebensversicherung und Berufsunfähigkeitsversicherung) benötigt der Versicherer in der Leistungsprüfung regelmäßig Informationen der den Versicherungsnehmer behandelnden Ärzte. Da die behandelnden Ärzte zur Geheimhaltung der Patientendaten verpflichtet sind und diese nur mit Einwilligung des Patienten übermitteln dürfen, verlangen Versicherer vom Versicherungsnehmer regelmäßig Schweigepflichtentbindungserklärungen. In der Vergangenheit waren allgemeine und umfassende Entbindungserklärungen gebräuchlich. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings in zwei Entscheidungen aus 2006 und 2013 entschieden, dass solche Klauseln unzulässig sind, da sie in das geschützte Recht des Versicherungsnehmers auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen.

Nicht geklärt und sehr umstritten war bislang die Frage, ob sich der Versicherer trotz unwirksamer Schweigepflichtentbindung auf die hierdurch gewonnenen Informationen berufen bzw. die Erkenntnisse verwerten durfte. In dem vom BGH nunmehr entschiedenen Fall begehrte die Versicherungsnehmerin vom Versicherer Leistungen aus einer  Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Der Versicherer holte auf der Grundlage einer allgemeinen Schweigepflichtentbindungserklärung umfassende Auskünfte bei ihren Ärzten ein. Dabei wurde festgestellt, dass die Versicherungsnehmerin Vorerkrankungen hatte, die im Versicherungsantrag nicht angegeben waren. Der Versicherer hat mithin den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten, da  Gesundheitsfragen bei Antragstellung nicht richtig beantwortet wurden.

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Der Versicherer kann nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert sein, sich auf die Ergebnisse seiner Ermittlungen zu berufen und von der Arglistanfechtung Gebrauch zu machen. Setzt sich der Versicherer über das Recht des Versicherungsnehmer auf informationelle Selbstbestimmung hinweg , so ist die auf ihrer Grundlage durchgeführte Datenerhebung rechtswidrig. Die Rechtswidrigkeit führt aber nicht automatisch zur Unverwertbarkeit der durch den Versicherer auf diesem Wege gewonnenen Erkenntnisse. Vielmehr erfolgt eine zweistufige Prüfung. In der ersten Stufe ist zu fragen, ob sich der Versicherer die im Rahmen der Datenerhebung gewonnenen Erkenntnisse zielgerichtet durch sein zu beanstandendes Vorgehen verschafft hat. Ist das der Fall, kann er sich z. B. im Rahmen der Ausübung von Gestaltungsrechten wie der Arglistanfechtung nicht auf das Ergebnis seiner Erhebungen berufen. Lässt sich ein solch zielgerichtet-treuwidriges Verhalten nicht feststellen, ist auf der zweiten Stufe durch eine umfassende Abwägung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, ob und inwieweit dem Versicherer die Nutzung seiner rechtswidrig erworbenen Erkenntnisse nach Treu und Glauben verwehrt ist. Die Abwägung kann dabei selbst bei arglistigem Verhalten des Versicherungsnehmers dazu führen, dass dem Versicherer die Verwertung der Informationen nicht gestattet ist, mithin die Täuschung folgenlos bleibt.