Überraschend hat der EuGH dem BGH widersprochen und eine seit 2010 Widerrufsinformation für fehlerhaft erklärt. Damit ist nunmehr die Tür für die Überprüfung und ggf. Widerruf zahlreicher Kreditverträge eröffnet worden. Der Entscheidung des EuGH lag ein Verfahren des LG Saarbrücken zugrunde, in welchem die dortigen Parteien über die Wirksamkeit eines im Jahr 2012 abgeschlossenen Darlehensvertrages stritten. Die Darlehensnehmer hatten diesen Kreditvertrag unter Berufung auf eine fehlerhafte Widerrufsinformation im Jahr 2016 widerrufen.

Das Landgericht Saarbrücken war der Auffassung, dass die Bank fehlerhaft über das Widerrufsrecht informiert hatte, da ein in der Belehrung enthaltener Verweis auf gesetzliche Vorschriften mit der europäischen Verbraucherkreditrichtlinie nicht zu vereinbaren ist. Allerdings sah sich das Landgericht Saarbrücken daran gehindert, zugunsten des Darlehensnehmers zu entscheiden, da der Bundesgerichtshof  in ständiger Rechtsprechung die von der Kreissparkasse verwendete Widerrufsinformation für ordnungsgemäß erachtete und die dortige sog. Kaskadenverweisung für transparent und nachvollziehbar hielt. Die Belehrung setzte daher die Widerrufsfrist in Gang, so das ein Widerruf in 2016 verfirntet wäre. Das Landgericht Saarbrücken folgte dieser Auffassung nicht und legte die Angelegenheit dem Europäischen Gerichtshof vorab zur Entscheidung vor.

Der Europäische Gerichtshof hat mit Beschluss vom 26.03.2020 entscheiden, dass Verbraucherkreditverträge in klarer und prägnanter Form die Modalitäten für die Berechnung der Widerrufsfrist angeben müssen. Es reicht nicht aus, dass der Vertrag hinsichtlich der Pflichtangaben, deren Erteilung an den Verbraucher für den Beginn der Widerrufsfrist maßgeblich ist, auf eine nationale Vorschrift verweist, die selbst auf weitere nationale Rechtsvorschriften verweist. Dadurch werde dem Verbrauche überhaupt nicht klar, worauf es hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist überhaupt ankomme und welche Angaben im Vertrag aufgeführt werden müssen. Nach Auffassung des EuGH ist die vorgelegte Widerrufsinformation fehlerhaft und das LG Saarbrücken hat dies in seiner Entscheidung zu berücksichtigen.

Hat eine Bank über den Widerruf fehlerhaft belehrt, kann der Darlehensnehmer seinen Kreditvertrag auch jetzt noch widerrufen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Richtlinie keine Anwendung für Immobiliarkreditverträge entfaltet. Zudem hat der deutsche Gesetzgeber eine Muster-Widerrufsinformation vorgegeben, die von den Banken häufig verwandt wurde. Ob und inwieweit sich Banken darauf berufen dürfen, dass sie auf die Wirksamkeit der gesetzlichen Musterbelehrung vertraut haben (Gesetzlichkeitsfiktion), wird nunmehr mit Spannung zu verfolgen sein.