Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 28.08.2018 (VI ZR 509/17) seine Rechtsprechung zu den Geburtsschäden präzisiert. Im konkreten Fall erlitt das Neugeborene eine Hirnschädigung während der Geburt, die zu schwersten körperlichen wie geistlichen Schäden geführt haben. Der Klinik sowie der behandelnden Ärztin wird vorgeworfen, nicht über den Kaiserschnitt als Alternative zur vaginalen Geburt aufgeklärt bzw. über die Notwendigkeit der Vornahme eines Kaiserschnittes verspätet aufgeklärt zu haben. So habe bereits um 12:05 Uhr eine eilige Sectio angeordnet werden müssen. Um 12:48 Uhr, spätestens aber um 13:06 Uhr, habe die Indikation für eine Notsectio bestanden. Auch in der Überschreitung der EE-Zeit (Zeit von der Entscheidung zum Kaiserschnitt bis zur Entwicklung des Kindes) liege ein Behandlungsfehler. Der Bundesgerichtshof weist darauf hin, dass die Mutter des Kindes im Rahmen einer vorgezogenen Aufklärung über die Behandlungsalternative einer Sectio informiert werden musste. Die spätere Aufklärung über die Notwendigkeit der Durchführung einer eiligen Sectio genügte nicht, denn dies geschah zu einem Zeitpunkt, zu dem eine Behandlungsalternative nicht mehr bestand.

Nach Auffassung des BGH kann sich die unterlassene vorgezogene Aufklärung dahingehend auswirken, dass die Sectio später durchgeführt wird als sie bei rechtzeitiger Aufklärung durchgeführt worden wäre. Die etwaig gebotene vorgezogene Aufklärung ist deshalb von Bedeutung, weil sie zu einer schadenshindernden oder -mindernden Zeitersparnis führen kann. Mit der Erwägung, dass die Sectio auch bei vorgezogener Aufklärung erst mit der medizinischen Indikation vorzunehmen sei, wird die Bedeutung der vorgezogenen Aufklärung rechtsfehlerhaft verkannt. Zwar kommt die von der Schwangeren aufgrund einer vorgezogenen Aufklärung getroffene Entscheidung für eine Sectio regelmäßig erst dann zum Tragen, wenn die Sectio relativ indiziert ist. Die vorgezogene Aufklärung hat aber zur Folge, dass bereits mit Eintritt der relativen Indikation dem Wunsch der Schwangeren entsprechend die Entscheidung für die Sectio feststeht und bei unveränderten Umständen ausschließlich dieser Weg zu verfolgen ist. Damit ist eine Haftung wegen Verletzung der Aufklärungspflicht im Hinblick darauf, dass die Sectio im Falle ordnungsgemäßer Aufklärung möglicherweise früher erfolgt wäre, nicht ausgeschlossen. Wäre die Sectio nach alledem früher durchgeführt und die Klägerin ohne oder mit weniger schweren Gesundheitsschäden geboren worden, wäre der kausale Zusammenhang zwischen der Verletzung der Aufklärungspflicht und dem Gesundheitsschaden gegeben. Spätestens aber mit Eintritt der relativen Indikation der Sectio um 12:35 Uhr hätte die Mutter des Kindes über die Alternative der Sectio aufgeklärt werden müssen.

Da insoweit tatrichterliche Feststellungen zu der Frage, ob eine Entscheidung der Mutter der Klägerin für eine Sectio zu diesem Zeitpunkt zu einer schadenshindernden oder -mindernden Zeitersparnis geführt hätte, fehlen, hat der Bundesgerichtshof das klageabweisende Urteil der Vorinstanz aufgehoben und zur weiteren Tatsachenfeststellung an selbiges zurück verwiesen. Dabei soll auch geklärt und festgestellt werden, ob etwa im Hinblick darauf, dass dann eine Aufklärung nach Eintritt der absoluten Indikation und innerhalb der EE-Zeit nicht mehr erforderlich gewesen wäre. Das Unterlassen der Aufklärung über die Möglichkeit der Sectio vor Beginn der EE-Zeit wirkt sich insoweit auf die rechtliche Beurteilung aus, ob die Überschreitung der für eine eilige Sectio empfohlenen EE-Zeit einen Behandlungsfehler darstellt. Die erstmals in der EE-Zeit und noch vor der Ingangsetzung der Informationskette vorgenommenen Aufklärung kann zu einer – der Sphäre der Klinik zuzurechnenden –  schadensursächliche Verzögerung führen, die bei der gebotenen früheren Aufklärung hätte vermieden werden können.